Briefe

Öffentlicher Brief von Marianne Brandt an Ernst Kállai,

1929 Marianne Brandt reagierte und verteidigte die Metallwerkstatt in einem Brief an Ernst Kállai, “der verfasser kennt uns wenig, wenn er glaubt, daß wir einen stil machen wollen, und daß die kugelleuchte z. b. rein aus freude an den formen kugel und zylinder entstanden sei. … im allge­meinen müssen wir uns heute begnügen mit einer summe aus erfahrung hervorgegangener überlegungen, mit darauf folgenden versuchen, zeichnungen, mit deren kontrolle durch nachprü­fung und berechnung. ein gutes teil gefühlsmäßigen vorgehens und eignen gleichgewichtes ist also zunächst immer noch unentbehrlich. … die elektrische glühlampe haben wir zwar nicht erfunden, haben uns jedoch bemüht, eine ihrem wesen entsprechende, sachgemäße anwendung zu finden und sie z. b. auch aus den ohne rücksicht auf zweckmäßigkeit übernommenen formen des kerzenkronen-leuchters und der petroleum- und gasleuchten zu befreien. wir denken dabei u. a. tatsächlich auch an wirtschaftlichkeit, eben nicht nur ‘als ob’.

(Brandt 1929, S. 21)


Marianne Brandt über ihre Arbeit in den Ruppelwerken Gotha, 1935

In den Ruppelwerken in Gotha oblag Marianne Brandt die Neubear­beitung der gesamten Produktpalette der Abteilung “kunstgewerbe”. „v. 1929-33 arbeitete ich als mitarbeiterin der fa, ruppelwerk in gotha (lieber aber den namen nicht mit erwäh­nen) ich hatte die gesamte entwurfsarbeit u. überarbeitung der artikel abteilung “kunstgewerbe” zu besorgen. … allgemein wurde mir versichert, das es mir gelungen sei, dass früher recht verworrene u. wenig erfreuliche gesamtbild der produktion dieser abteilung in ein zeitgemässeres zu verwandeln. ebenso ist es gelungen, anordnung u. druck des katalogmaterials zu beeinflussen.” „es handelte sich um lackierwaren aus schwarz­blech vorwiegend. die techniken: stanzen, drücken, ziehen, punktschweissen …. ich strebte, anstelle des sog. luxusbe­darf u. der scherzartikel unter voller berücksichtigung der eigenart der fabrikation des werkes, dinge einzuführen, die mehr einen wirklichen bedarf u. praktischen ansprüchen entspre­chen. anstatt angemalter od. mit vielen schablonen gespritzter ‘dekore’ setzte ich die wirkung durch aufschrauben od. annieten andersfarbiger teile (z. B. holzkugeln) u. verchromtes metall.”

(Bauhaus-Archiv Berlin Inv.-Nr.10797/1-6)


Bericht von Marianne Brandt über die Zerstörung ihres Hauses

Nachdem der Krieg beendet war, beschrieb sie in einem Brief an Bernhard Bernson die Geschehnisse der letzten Kriegsjahre, “Wir 3 u. unsere Mutter nebst übrigen Einwohnern saßen in unserem Keller, als das 4stöckige Gebäude von Sprengbombe getroffen über uns zusammen­brach. Der Keller hielt Stand u. wir haben am nächsten Morgen Einiges unsrer Habe, die im Keller verwahrt erreichbar war u. unsere alte Mutter auf Handwagen durch die brennenden Straßen zu Verwandten nach einem Vorort gebracht. Von dort sind wir bald nach Frankenberg übergesiedelt, einem kleinen Ort nicht weit von hier, zu einer Kusine in einem sehr großen, sehr schönen Hause, wo außer uns noch 4 Flüchtlingsfamilien Unterkunft gefunden hatten. Später wurde die untere Etage von Russen besetzt. Es wurde enger, aber wir hatten Glück, es blieb erträglich. Von Frankenberg aus bin ich dann, erst täglich, bei unmöglichen Verkehrsver­hältnissen nach Chemnitz gefahren um zu bergen, was noch möglich war. Später habe ich mir eine Kellerwohnung einigermaßen brauchbar eingerichtet u. bin nur Sonntags noch nach F. gefahren. (Diesen Tag benutzten dann die lieben Volksgenossen, um zu stehlen u. zu rauben, was nur irgend möglich war.)” Noch bevor Marianne Brandt das Haus notdürftig wieder aufbauen konnte, ist die Mutter “leider vorher gestorben. Sie hat das furchtbare Frieren u. Hun­gern nicht mehr ertragen.”

(Bauhaus-Archiv Berlin 12730/5)


Auszüge aus dem Brief an die junge Generation von Marianne Brandt, ca. 1970

„Als ich 1924 auf den Rat Moholy-Nagys vom Vorkurs in die Metallwerkstatt hinüberwechselte, hatte man dort eben begonnen, zur Serie geeignete Gegenstände, wenn auch völlig handwerklich, zu produzieren. Die Aufgabe bestand darin, diese Dinge so zu gestalten, daß sie auch bei einer serienmäßigen Herstellung in arbeitssparender Weise allen praktischen und ästhetischen Anforderungen gerecht wurden und dabei doch weit billiger sein konnten als jede Einzelfertigung.”

“Als Gropius sein Werk, das eben bezogene Bauhaus in Dessau zu betrachten gedachte (mit Wohlgefallen, wie man dort annahm), bekam er einen nicht geringen Schrecken, da er feststellen mußte, daß seine Bauhäusler Flachdach und Atelierfront zu Balanceübungen und als Fassadenkletterer benutzten. Später hat man sich wohl daran gewöhnt, es gibt schöne einschlägige Aufnahmen davon. Auch ich brachte es wenigstens zum freien Sitzen auf dem Geländer meines kleinen Balkons, wiewihl ich doch erst einen Schwindelanfall bekam, wenn andere es taten! Wie schön wohnten wir in den Ateliers, und wie vergnüglich ging gelegentlich die Unterhaltung von einem Balkönchen zum anderen!“

„In Weimar hörte ich Klee auf seiner Violine spielen, leider nur einmal! Kurt Schwitters in Weimar und in Dessau: ‘Was trägst du dein Härchen wie einen Hut?’ Die ‘Sinfonie in Urlauten’ oder ‘Sie war schon immer ein geschei­teltes Mädchen gewesen’ usw. Wer weiß es noch? Die Palucca begeistere uns, wenn sie ihre neuesten Tänze brachte, und Béla Bartók!”.

“Allmählich, durch Besuche bei Industrieunternehmungen, Besichtigungen und Aussprachen an Ort und Stelle, kamen wir unserem Hauptanliegen, der Industriegestal­tung näher, und das trieb Moholy-Nagy mit zäher Energie voran. Zwei Firmen der Beleuch­tungsbranche zeigten sich unseren Zielen besonders aufgeschlossen; die Firma “Körting und Mathiesen” (Kandem), Leipzig – Leutzsch, förderte uns sehr durch eine praktische Einführung in die Gesetze der Lichttechnik und die Produktionsmethoden des Betriebes, was uns bei unseren Entwürfen, aber schließlich auch der Firma zugute kam. Wir erstrebten auch eine sinnvolle, die äußere Form nicht beeinträchtigende Gestaltung der Montage, geringe Möglichkeit für Staubablagerung usw. usf., Rücksichten, die nach meiner Erfahrung heute nicht mehr als Voraussetzung für eine erstklassige Leuchte gelten.“

“Weit schwieriger als die elektrischen Leuchten waren unsere Tischgeräte und sonstigen Gebrauchsgegenstände bei der Industrie anzubringen, nicht sehr viele gelangten in die Produk­tion. So bekamen wir gewissermaßen den Stempel einer Abteilung für Beleuchtungskörper. Wir haben ganze Gebäude mit unseren industriell hergestellten Leuchten ausgestattet und nur selten für ausgefallenere oder repräsentative Räume Sonderanfertigungen entworfen und in unserer Werkstatt ausgeführt. Damals war ich der Überzeugung, daß ein Ding zweckdienlichst in seiner Funktion und materialge­recht schön sein müsse! Später kam ich jedoch zu der Einsicht, daß die künstlerische Persön­lichkeit den letzten Ausschlag gibt. Mein Irrtum resultierte wohl aus der Tatsache, daß wir in einer Gemeinschaft vorwiegend solcher Persönlichkeiten lebten und daß uns deren Arbeit und Werk in ihrer hohen Qualität für selbstverständlich galten.”

“Von den Lizenzen, die wir für unsere Modelle bekamen, erhielt, wenn ich mich recht erinnere, das Bauhaus die Hälfte, das andere wurde zwischen Meister, Entwerfer und Werkstatt aufgeteilt. Auch für unsere sonntäglichen Fremdenführungen durch das Haus bekamen wir einen Teil der Einnahmen. So war ich meist bei Kasse, aber zu meinem Kummer leider auch gelegentlich beneidet, was nicht ausschloß, daß man am Ende des Monats fleißig kleine Anleihen machte bei M. B. Eine lange handwerkliche Ausbildungszeit war mir nicht ver­gönnt. Es hieß sehr bald: entwerfen, ausführen, helfen, sich umtun und zuletzt, auf dringende Zureden von Gropius und Moholy, als sie gleichzeitig das Bauhaus verließen und auch ich aufge­ben wollte, die Leitung der Werkstatt auf ein Jahr provisorisch übernehmen. Obgleich mir das verlockende Angebot gemacht wurde, die Arbeit bei Kandem fortzuführen und mich gleichzeitig bei Peterhans im Fotografischen auszubilden, mußte ich doch schließlich endgültig Abschied nehmen, so schmerzlich es auch war. Doch hatte ich bald darauf die Freude, im Bauatelier von Gropius mitzutun. Auch das war eine – wenn auch allzu kurze – glückliche Zeit.“

Eckhard Neumann (Hrsg.): Bauhaus und Bauhäusler, Köln 1985


Brief von Marianne Brandt an I. Anscombe vom 12. 2. 1981

„In Weimar, wo ich als Malerin lebte, trat ich in das Bauhaus ein, nachdem ich eine Ausstellung dort erarbeiteter Gegenstände gesehen hatte. … Ich besuchte dort den üblichen Vorkurs, den Professor Moholy-Nagy leitete und trat auf dessen Vorschlag in die ihm unterstehende Metallwerkstatt ein, nachdem ich keine besondere Neigung zur Weberei hatte und die Arbeit in der Tischlerei, die ich im Grunde sehr gerne aufgenommen hätte, zu schwer für meine Kräfte schien. … obgleich ich Van de Velde’s Werke schätzte, hatten sie meines Wissens keinen Einfluß auf mich gehabt, und daß meine Entwürfe revolutionär seien, ist mir nie bewußt geworden.“

(Bauhaus-Archiv Berlin Inv.- Nr. 10011/2)