Leben in Chemnitz
Marianne Brandt ist in der pulsierenden Industriestadt Chemnitz der Jahrhundertwende geboren. Sie verbrachte die meiste Zeit ihres Lebens in ihrer Heimatstadt, auch das sächsische Manchester genannt.
Marianne Brandt hat als spätere Bauhäuslerin die enge Zusammenarbeit zwischen Produktgestaltung und Industrie gefördert. Das Zusammenwirken von Kunst und Technik hat in Chemnitz große Tradition. So besitzt Chemnitz gerade mit seiner Industriekultur (besonders der Architektur) ein großartiges Erbe. Damit erfuhr sie schon seit ihrer Kindheit die Rhythmen und Möglichkeiten der industriellen Produktion. Gleichzeitig wurde ihr durch das hier ansässige aufgeklärte Unternehmertum so holte zum Beispiel der Fabrikant Herbert Esche Henry van de Velde als Architekt seiner Villa in die Stadt die wichtige Rolle von Industriekultur deutlich.
In dieser der Kultur und Kunst aufgeschlossenen Atmosphäre erfuhr Marianne Brandt (damals noch Marianne Liebe) gemeinsam mit ihren Schwestern eine musische Erziehung, lernte Geige und Akkordeon spielen. Der Tradition der gemeinsamen Hausmusik blieben die Schwestern bis ins hohe Alter treu. 1918 konnte sie in der bekannten Galerie Gerstenberger ihre erste komplette Ausstellung mit eigenen Arbeiten bestücken. Über die Exponate der Ausstellung ist nur wenig bekannt. Die weltoffene Bauhäuslerin Marianne Brandt, die ihre Intentionen in den Gothaer Ruppelwerken hervorragend umsetzen konnte, kehrte mit Beginn der Nazi-Zeit in ihre Heimatstadt zurück, litt unter der Provinzialität, die nun Einzug hielt.
Sie erwog oft die Möglichkeit der Emigration ins Ausland, blieb aber bis nach Kriegsende. Sie zog sich in eine innere Emigration zurück, nahm aber regelmäßig an regionalen Kunstausstellungenteil.
Nachdem ihr Haus von einer Bombe stark zerstört wurde, nahm sie den Wiederaufbau in Angriff. Marianne Brandt kehrte immer wieder nach Chemnitz zurück, auch nachdem sie in Dresden und Berlin gearbeitet hatte. Sie lebte nun sehr isoliert. Der Name des Bauhauses war in der DDR verpönt. Selbst progressive und interessierte Künstler des damaligen Karl-Marx-Stadt erfuhren erst sehr spät, dass Marianne Brandt, eine erfolgreiche Metallgestalterin des Bauhauses, in der gleichen Stadt lebte. 1975 wurde Marianne Brandt von der „galerie oben“ zu einem Gespräch anlässlich einer Ausstellung ihres Schülers Hans Brockhage eingeladen, erstmals erfuhr sie Beachtung und Würdigung durch ein sehr interessiertes Publikum.
In den Aktivitäten der Chemnitzer Marianne Brandt-Gesellschaft e.V. lebt die Künstlerin mit ihren Idealen fort und erfährt heute eine angemessene Würdigung.