„Als ich 1924 auf den Rat Moholy-Nagys vom Vorkurs in die Metallwerkstatt hinüberwechselte, hatte man dort eben begonnen, zur Serie geeignete Gegenstände, wenn auch völlig handwerklich, zu produzieren. Die Aufgabe bestand darin, diese Dinge so zu gestalten, daß sie auch bei einer serienmäßigen Herstellung in arbeitssparender Weise allen praktischen und ästhetischen Anforderungen gerecht wurden und dabei doch weit billiger sein konnten als jede Einzelfertigung.”
Zuerst wurde ich nicht eben freundlich aufgenommen. Eine Frau gehört nicht in die Metallwerkstatt, war die Meinung. Man gestand mir das später ein und hat dieser Meinung Ausdruck zu verleihen gewusst, indem man mir vorwiegend langweilig-mühsame Arbeit auftrug. Wie viele kleine Halbkugeln in sprödem Neusilber habe ich mit größter Ausdauer… geschlagen und gedacht, das müsse so sein und „aller Anfang ist schwer“. Später haben wir uns dann ganz prächtig arrangiert und gut aufeinander eingestellt.
“Als Gropius sein Werk, das eben bezogene Bauhaus in Dessau zu betrachten gedachte (mit Wohlgefallen, wie man dort annahm), bekam er einen nicht geringen Schrecken, da er feststellen mußte, daß seine Bauhäusler Flachdach und Atelierfront zu Balanceübungen und als Fassadenkletterer benutzten. Später hat man sich wohl daran gewöhnt, es gibt schöne einschlägige Aufnahmen davon. Auch ich brachte es wenigstens zum freien Sitzen auf dem Geländer meines kleinen Balkons, wiewihl ich doch erst einen Schwindelanfall bekam, wenn andere es taten! Wie schön wohnten wir in den Ateliers, und wie vergnüglich ging gelegentlich die Unterhaltung von einem Balkönchen zum anderen!“
„In Weimar hörte ich Klee auf seiner Violine spielen, leider nur einmal! Kurt Schwitters in Weimar und in Dessau: ‘Was trägst du dein Härchen wie einen Hut?’ Die ‘Sinfonie in Urlauten’ oder ‘Sie war schon immer ein gescheiteltes Mädchen gewesen’ usw. Wer weiß es noch? Die Palucca begeistere uns, wenn sie ihre neuesten Tänze brachte, und Béla Bartók!”.
“Allmählich, durch Besuche bei Industrieunternehmungen, Besichtigungen und Aussprachen an Ort und Stelle, kamen wir unserem Hauptanliegen, der Industriegestaltung näher, und das trieb Moholy-Nagy mit zäher Energie voran. Zwei Firmen der Beleuchtungsbranche zeigten sich unseren Zielen besonders aufgeschlossen; die Firma “Körting und Mathiesen” (Kandem), Leipzig – Leutzsch, förderte uns sehr durch eine praktische Einführung in die Gesetze der Lichttechnik und die Produktionsmethoden des Betriebes, was uns bei unseren Entwürfen, aber schließlich auch der Firma zugute kam. Wir erstrebten auch eine sinnvolle, die äußere Form nicht beeinträchtigende Gestaltung der Montage, geringe Möglichkeit für Staubablagerung usw. usf., Rücksichten, die nach meiner Erfahrung heute nicht mehr als Voraussetzung für eine erstklassige Leuchte gelten.“
“Weit schwieriger als die elektrischen Leuchten waren unsere Tischgeräte und sonstigen Gebrauchsgegenstände bei der Industrie anzubringen, nicht sehr viele gelangten in die Produktion. So bekamen wir gewissermaßen den Stempel einer Abteilung für Beleuchtungskörper. Wir haben ganze Gebäude mit unseren industriell hergestellten Leuchten ausgestattet und nur selten für ausgefallenere oder repräsentative Räume Sonderanfertigungen entworfen und in unserer Werkstatt ausgeführt. Damals war ich der Überzeugung, daß ein Ding zweckdienlichst in seiner Funktion und materialgerecht schön sein müsse! Später kam ich jedoch zu der Einsicht, daß die künstlerische Persönlichkeit den letzten Ausschlag gibt. Mein Irrtum resultierte wohl aus der Tatsache, daß wir in einer Gemeinschaft vorwiegend solcher Persönlichkeiten lebten und daß uns deren Arbeit und Werk in ihrer hohen Qualität für selbstverständlich galten.”
“Von den Lizenzen, die wir für unsere Modelle bekamen, erhielt, wenn ich mich recht erinnere, das Bauhaus die Hälfte, das andere wurde zwischen Meister, Entwerfer und Werkstatt aufgeteilt. Auch für unsere sonntäglichen Fremdenführungen durch das Haus bekamen wir einen Teil der Einnahmen. So war ich meist bei Kasse, aber zu meinem Kummer leider auch gelegentlich beneidet, was nicht ausschloß, daß man am Ende des Monats fleißig kleine Anleihen machte bei M. B. Eine lange handwerkliche Ausbildungszeit war mir nicht vergönnt. Es hieß sehr bald: entwerfen, ausführen, helfen, sich umtun und zuletzt, auf dringende Zureden von Gropius und Moholy, als sie gleichzeitig das Bauhaus verließen und auch ich aufgeben wollte, die Leitung der Werkstatt auf ein Jahr provisorisch übernehmen. Obgleich mir das verlockende Angebot gemacht wurde, die Arbeit bei Kandem fortzuführen und mich gleichzeitig bei Peterhans im Fotografischen auszubilden, mußte ich doch schließlich endgültig Abschied nehmen, so schmerzlich es auch war. Doch hatte ich bald darauf die Freude, im Bauatelier von Gropius mitzutun. Auch das war eine – wenn auch allzu kurze – glückliche Zeit.“
